EXKLUSIV! HEIMSEITE IM INTERVIEW MIT JOSCHA ZMARZLIK
Heimseite trifft Joscha Zmarzlik an seinem Lieblingsaufenthaltsort, der
Feuerleiter-Plattform vor seinem Schlafzimmer in Köln-Zollstock.
Die Wohnung macht einen ziemlich lange unaufgeräumten Eindruck, während
uns der Liedermacher in kurzen Hosen & aufgeräumter Stimmung
emfängt. Heimseite quetscht sich neben Joscha aufs Fensterbrett.
Von der kleinen Plattform aus hat man einen idyllischen Blick auf den
Eisenbahner-Klinkerbauten-Hinterhof. Vor den barackenhaften Garagen, die
wie ein kleines Fort in das Grün hineinragen, wird ein wie aus dem
Ei gepellter Sportwagen mit einem Ledertuch abgerieben. Die benachbarte
Kirchturmuhr schägt. Ein Flieger kreuzt.
Heimseite:
Hallo Joscha.
Zmarzlik:
Tag.
Heimseite:
Schön hast Du`s hier.
Zmarzlik: (zustimmend)
Mhm.
Heimseite:
Und wie ist es so im Netz zu sein?
Zmarzlik:
Ich finde es natürlich total dufte, voll krass und echt knorke, endlich
eine Heimseite im Zwischennetz zu haben, das ist schon ein verschärftes
Gefühl, ne. Hallo Leute !
Heimseite:
Viele dieser Leuten könnten sich fragen, wozu ein völlig unbekannter
Künstler eine Heimseite braucht? Wen interessiert das?
Zmarzlik:
Die Frage ist natürlich berechtigt. In den Zeiten der Globalisierung
muss man jedoch auch als Ich-AG bzw. Künstler-Monade optimal aufgestellt
sein, um am Markt flexibel reagieren zu können.
Heimseite:
Du redest ja wie ein Börsen-Analyst. Wo bleibt da das Gefühl
?
Zmarzlik:
Da ich schon sentimentale Lieder singe, versuche ich beim Reden möglichst
unsentimental und auf der Höhe der Produktivkräfte zu sein.
Heimseite:
Stichwort Liedermacher - was verstehst Du darunter ?
Zmarzlik:
Liedermacher sind ja traditionell diese mit Gitarre bewaffneten Typen,
die das Publikum als Geisel nehmen, um ihre privaten Belanglosigkeiten
und politischen Obsessionen als Weltschmerz und Botschaft unters Volk
(meist 13 bis 17 Zuhörer) zu bringen. Diese Strategie hat mich immer
gereizt. Ich selbst habe, bevor die Frauen oder Michael Jackson mir etwas
bedeuten konnten, angesichts der Plattensammlung meiner Eltern mit Wolf
Biermann Bekanntschaft geschlossen. Das hat mein Leben geprägt.
Heimseite:
Wolf wer ?
Zmarzlik:
Das war dieser hinreißend begabte junge Untergrund-Marxist-Liedermacher
aus den 60ern im Osten, der, in den 70ern in den Westen ausgebürgert,
in den 80er noch ein bisschen vor sich hin rebellierte, bis er in den
90ern mit diversen Staatspreisen bedacht wurde und zum staatstragenden
Feuilletonisten verkam.
Heimseite:
Gib zu, das möchtest Du auch! Du spielst aber gar nicht Gitarre.
Zmarzlik:
Daran trage ich schwer. Klavier ist so spießig. Und ich spiele es
nur mittelmäßig.
Heimseite:
Warum trittst Du dann überhaupt auf ?
Zmarzlik:
Wegen der Selbstverwirklichung. Da ist so was tief in mir drin. Das muss
raus.
Heimseite:
Und wie sind die Reaktionen?
Zmarzlik:
Ein Labelchef schrieb mir: "Tut mir leid, Ihre Lieder haben mich
nicht berührt." Dabei sind sie wirklich gefühlvoll! Manchmal
sogar lustig. Es gibt fröhliche Frauen, die haben anlässlich
meiner Musik geweint. Es gibt ernste Männer, die haben gelacht. Und
mein Buchhändler sagte nach dem Konzert in seiner guten Bücher-Stube:
"Junge, komm bald wieder." Das hat mir Mut gemacht.
Heimseite:
Warum heißt Du so komisch ?
Zmarzlik:
Das ist Polnisch und bedeutet Frostbeule, was tief blicken lässt.
Die Großeltern stammen aus Oberschlesien. Eine alte, bösartige
Nachbarin anno dazumal in Berlin fragte mich wegen des Namens auf der
Treppe des Mietshauses, als ich mich ihr frisch eingezogen - ganz der
nette Schwiegersohn - vorstellte: "Sind wohl kein Deutscher, was
?!" Dabei war mein Vater (ich bin ein Kind des Alters) bei der Flak!
Hat dafür gesorgt, dass die alte Kuh von der Treppe ein bisschen
länger im unbequemen Berliner Luftschutzkeller hocken musste, indem
er auf alliierte Flieger schoss und den Krieg verlängerte. Der Gedanke
hat mich angesichts der blöden Frage damals dann doch befriedigt.
Heimseite:
Stichwort Zweiter Weltkrieg. Wie sind Deine Zukunftspläne?
Zmarzlik:
Der bekannte Gegenwartsphilosoph Guido Westerwelle (FDP) hat ja mal die
bedenkenswerte Maxime geprägt: MACHEN MACHEN MACHEN. Das will ich
tun. Irgendwas wird schon dabei rauskommen.
Heimseite:
Aha. Joscha Zmarzlik, viel Glück dabei und danke für das interessante
Gespräch.
Zmarzlik:
Tschö.
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